Jahrzehntelang sah der Job eines Operations Managers in der Logistik ziemlich gleich aus: Daten von System A nach System B kopieren, in verschiedenen Carrier-Portalen einloggen, Excel-Listen pflegen und vor allem – Feuer löschen. Viel davon. Die Rolle war weniger strategisch, mehr administrativ. Ein Hamsterrad aus repetitiven Tasks.
Doch was passiert, wenn AI und Multiagent-Systeme diesen Job fundamental verändern? Nicht indem sie den Menschen ersetzen, sondern indem sie ihn von den nervigen Admin-Tasks befreien und zu dem machen, was er eigentlich sein sollte: ein strategischer Partner für den Kunden.
Genau darüber haben wir mit Francesco Foschetti und Simone Furlan von Forto gesprochen. Sie haben mit "Flash" ein AI-Agent-System gebaut, das genau diese Transformation vollzieht. Und ihre Insights sind Gold wert.
Der Status Quo: Operationen als administrativer Albtraum
Simone bringt es auf den Punkt: "Der typische Operations Manager verbringt den Großteil seiner Zeit mit Admin-Tasks, Prozessabwicklung und Copy-Paste zwischen verschiedenen Systemen."
Das klassische Setup:
- Mehrere Bildschirme mit verschiedenen Carrier-Portalen offen
- Informationen manuell von System zu System übertragen
- AS400, TMS, Excel – ein bunter Strauß an Tools
- Viel Wissen im Kopf des einzelnen Operators (nicht dokumentiert, nicht skalierbar)
- Ständiges Firefighting bei Exceptions
Die Frustration? Ein guter Operator macht den Unterschied – aber nur durch persönliche Erfahrung und Kundenwissen, das nirgendwo dokumentiert ist. Das ist nicht skalierbar. Und wenn jemand das Team verlässt, geht dieses Wissen verloren.
Das größte Problem:
Operations Manager verbringen ihre Zeit mit Tasks, die keinen echten Mehrwert für den Kunden schaffen.
Die Wachstumsfalle: Warum mehr Carrier = exponentiell mehr Chaos
Hier wird es richtig interessant. Simone erklärt: "Seit der Erfindung des Containers vor Jahrzehnten ist in der Logistik eigentlich nicht viel passiert. Aber jetzt erleben wir eine fundamentale Transformation."
Das Problem wächst nicht linear mit deinem Geschäft – es explodiert:
- Jeder zusätzliche Carrier hat eigene Regeln, Fristen und Dokumentenanforderungen
- Unterschiedliche IT-Systeme und Sprachen
- Verschiedene Liability-Regelungen
- Komplexität steigt exponentiell statt linear
Das Ergebnis? Dein Team erstickt in Admin-Arbeit, anstatt sich um den Kunden zu kümmern.
Flash: Der AI Co-Pilot für Operations
Francesco beschreibt Flash technisch als "Multiagent-System, das auf unserem nativen TMS aufsetzt – ein spezialisierter Co-Pilot für Operations Manager."
Was macht Flash konkret?
- Unterstützt den gesamten Shipment-Lifecycle vom Booking bis zum Invoice-Settlement
- Übernimmt repetitive Tasks wie Schiffsabfahrten suchen, Bookings erstellen, Dokumentation managen
- Kennt die Kunden und deren Präferenzen (inkl. "Memory" über vergangene Transaktionen)
- Gibt Recommendations basierend auf Daten UND Kundenbeziehung
Die Zahlen sprechen für sich:
- 50% der Bookings im Export-Business laufen komplett autonom (ohne menschliche Interaktion)
- 20% Effizienzgewinn bei der Dokumentenvorbereitung
- 90% Erfolgsquote bei automatisierten Buchungsanfragen
Die kritische Linie: Co-Pilot vs. Autopilot
Hier wird es philosophisch – und extrem wichtig. Francesco betont mehrfach: "Wir wollen bewusst NICHT auf vollen Autopilot gehen."
Warum nicht?
Der Kunde braucht immer einen menschlichen Anwalt, der für sein Shipment kämpft. Es darf keine Black Box sein, die autonome Entscheidungen trifft, ohne dass der Kunde versteht, was passiert.
Die Regel bei Forto:
Bei kritischen Momenten – wie einer Vessel-Selektion oder einer großen Umplanung, die den Erfolg des Shipments beeinflusst – muss der Mensch die letzte Entscheidung treffen.
Simone erklärt das Design-Prinzip:
"Flash gibt immer die beste Recommendation. Aber die letzte Antwort kommt vom Operations Manager. Und wenn der Operator eine andere Entscheidung trifft, fragen wir: Warum? Damit wir lernen können."
Der Feedback-Loop: Wie Flash lernt (aber kontrolliert)
Ein faszinierender Aspekt ist, wie Forto mit dem Feedback umgeht:
Der aktuelle Ansatz:
- Feedback wird in Echtzeit erfasst (via einfaches Pop-up)
- ABER: Die Implementierung erfolgt kontrolliert durch das Team
- Jeder "Failure Mode" wird kategorisiert und analysiert
- Erst dann wird entschieden: War der Co-Pilot falsch? Oder fehlte nur ein Input?
Francesco: "Wir könnten Self-Learning aktivieren. Aber wir wollen es nicht. Wir streben nach Perfektion. Wir sind bei 97% – aber um die letzten Prozente zu schaffen, brauchen wir volle Kontrolle."
Warum diese Vorsicht?
Logistik ist extrem kontextuell. Manchmal war die AI-Recommendation richtig, aber es fehlte ein wichtiger Kontext. Blinder Self-Learning-Loop würde das System in die falsche Richtung trainieren.
In Zukunft? Möglicherweise Self-Learning für bestimmte Kategorien – aber bei kritischen Entscheidungen will das Team immer die Kontrolle behalten.
Was bleibt beim Menschen?
Die Millionen-Dollar-Frage: Was wird AI nie übernehmen?
Francescos Antwort ist klar: Kritische Shipment-Momente, die einen Shipment-Break verursachen oder die Kundenbeziehung beeinflussen könnten.
Simones Perspektive:
"Je linearer und standardisierter der Prozess, desto höher die Automatisierung. Aber Exception Handling, komplexe Problemlösung – da wird der Mensch immer wichtiger, nicht weniger wichtig."
Die neue Rolle:
Vom Daten-Eintipper zum Customer Success Manager. Der Operations Manager der Zukunft verbringt seine Zeit mit:
- Kundenbeziehungen aufbauen und pflegen
- Komplexe Probleme lösen
- Proaktiv auf Kundenbedürfnisse eingehen
- Supply Chain gemeinsam mit dem Kunden optimieren
Flash in Action: Wie sieht das konkret aus?
Francesco beschreibt die User Experience: "Flash ist eine kontextuelle Sidebar, die dem Operator folgt – egal wo er gerade arbeitet."
Das Szenario:
- Operator öffnet seine Email-Inbox
- Flash analysiert bereits die eingehenden Emails im Hintergrund
- "Ich sehe drei Booking-Anfragen. Ich kenne die Kunden und ihre History. Soll ich die Shipments erstellen?"
- Bei der Vessel-Selektion: Flash kennt die Kundenpräferenzen und gibt Empfehlungen
- Flash funktioniert nicht nur im TMS, sondern auch in Outlook und anderen Tools
Simone fügt hinzu: "In der Zukunft wird das TMS mehr die Infrastruktur im Hintergrund sein. Flash wird zum primären Interface für den Operator."
Die Hiring-Strategie: Was ändert sich?
Noch nicht dramatisch – aber die Richtung ist klar.
Heute:
Fokus auf Upskilling des bestehenden Teams
- Weniger Zeit für operative Tasks → mehr Zeit für Customer Care
- Training in Richtung Problem-Solving und Kundenbeziehung
- Das Operations-Team baut GEMEINSAM mit dem Tech-Team
Das Besondere bei Forto: Das Ops-Team sitzt direkt neben den Engineers. Sie sind "Co-Builders", nicht nur "Co-Pilots". Sie entwickeln Flash gemeinsam.
Simone: "Viele Firmen haben diese Trennung zwischen Operations und Tech. Bei uns arbeiten wir zusammen an der Lösung. Das ist ein riesiger Punkt."
Quick-Fire: Die wichtigsten Learnings
Francesco zur Frage "Perfekte Prozesse automatisieren oder komplexe Exceptions managen?"
"Starte dort, wo der ROI heute ist. Nicht in drei Jahren. Fokussiere dich auf spezifische, existierende Probleme mit hohem Volume. Löse das. Super-Fast. Dann iteriere."
Simone zur Frage "Datenanalyse oder Beziehungsmanagement?"
"Relationship-Skills werden noch wichtiger. Datenanalyse passiert im Hintergrund. Aber die Fähigkeit, eine echte Beziehung zum Kunden aufzubauen und komplexe Probleme zu verstehen – das kann nicht automatisiert werden."
Francesco zur größten AI-Value: "Kosteneffizienz oder besserer Customer Service?"
"Eindeutig Customer Service. Kostenreduktion kommt als Nebenprodukt. Unser North-Star ist Service-Qualität. Wir wollen 1:1 mit unseren Kunden arbeiten, ihre Probleme verstehen – auch wenn das bedeutet, Zeit mit ihnen zu verbringen, die vorher in Admin-Tasks versunken wäre."
Die Vision: Fünf Jahre voraus
Simones Vision: "Ich hoffe, dass ich in ein Office komme und einen Operations Manager sehe, der weniger gestresst und überwältigt ist – weil er genau weiß, was zu tun ist, unterstützt von einem Tool, das ihm hilft, die richtige Entscheidung zur richtigen Zeit zu treffen. Er verbringt seine Zeit mit dem, was wirklich wichtig ist: mit Kunden zu sprechen."
Francescos Vision: "Ich möchte, dass unsere Operations Manager den Luxus haben, Zeit für das zu haben, was sie wirklich wollen: mit ihren Kunden arbeiten. Wie ein Customer Success Team. Sie lösen Probleme, optimieren Prozesse, schaffen Mehrwert – weil sie wissen, dass sie etwas anderes haben, das die Admin-Tasks übernimmt."
Fazit: Augmentation, nicht Replacement
Die Kernbotschaft dieses Gesprächs ist glasklar: Es geht nicht darum, den Operations Manager zu ersetzen. Es geht darum, ihn zu dem zu machen, was er immer hätte sein sollen: ein strategischer Partner, der echten Mehrwert für den Kunden schafft.
Die Transformation:
- Von Copy-Paste zu strategischem Denken
- Von Firefighting zu proaktivem Problemlösen
- Von Admin-Sklave zu Kundenberater
- Von isoliertem Wissensträger zu AI-unterstütztem Experten
Die Technologie ist bereit. Multiagent-Systeme wie Flash zeigen heute schon, was möglich ist. Die Frage ist nicht mehr "ob", sondern "wie schnell" diese Transformation passiert.
Und das Schönste? Der Mensch bleibt im Zentrum. Nicht als Flaschenhals, sondern als Entscheider, Beziehungsmanager und strategischer Partner.