Mal ehrlich: Wenn wir im Logistik-Mittelstand das Wort „Innovationslabor” hören, geht bei vielen doch direkt das Bullshit-Bingo los. Man denkt an Post-it-Wände in Berlin-Mitte, fancy Titel und am Ende doch nur heiße Luft, die im harten Lageralltag verpufft. Ein E-LKW für die Presse, ein bisschen Greenwashing hier, ein Digitalisierungsprojekt da – das nach dem ersten Hürdenlauf wieder in der Schublade verschwindet.
Dass es auch komplett anders geht, hat uns neulich im LogTech Podcast umgehauen. Jannik und ich hatten Steffen Obermann vom Zufall Lab zu Gast, und was er erzählt hat, war so erfrischend bodenständig und gleichzeitig radikal, dass man als Logistiker direkt die Ohren spitzt. Denn hier wird Innovation nicht nur gepredigt, sondern knallhart umgesetzt – mit einem Fokus, der in unserer Branche leider viel zu selten ist.
Mehr als nur ein PR-Gag: Der „Enkeltauglich”-Ansatz
Das Erste, was bei Zufall anders ist, ist das „Warum”. Hier geht es nicht primär um den nächsten Effizienz-Hebel oder das nächste Buzzword. Die Mission, die vom Inhaber Peter selbst kommt, lautet: „enkeltauglich wirtschaften”. Dahinter steckt die simple, aber kraftvolle Idee der „3 P’s”: People, Planet & Profit.
Und das sind keine leeren Worthülsen. Während andere einen Vorzeige-E-LKW anschaffen, hat Zufall mal eben 25% der eigenen Flotte ausgetauscht. Nicht, weil es sich sofort in Euro und Cent rechnet – Steffen meinte, wenn es gut läuft, ist es ein Nullsummenspiel. Sondern, weil es der richtige Schritt ist. Das ist kein PR-Gag, das ist Überzeugung.
Diese Haltung, als familiengeführtes Unternehmen langfristig und wertebasiert zu denken, statt von Quartalsbericht zu Quartalsbericht zu hecheln, ist der Nährboden für alles, was folgt.
Das Lab: Wo Sneakers auf den Hallenboden treffen
Das Geniale am Zufall Lab: Es ist kein abgehobenes Raumschiff. Es ist eine Service-Einheit für die Kolleginnen und Kollegen an der Front. Steffen hat es perfekt auf den Punkt gebracht: Die Umschlaglagerleiterin Kathrin aus Fulda will besser mit ihren Leuten umgehen, hat aber im Alltag schlichtweg keine Zeit, auf Messen zu fahren oder Podcasts zu hören. Ihr Job ist es, Ware von A nach B zu bekommen.
Genau hier kommt das Lab ins Spiel. Kathrin hat ein Problem – zum Beispiel die hohe körperliche Belastung ihrer Leute. Sie kommt zum Lab und sagt: „Helft mir!” Das Lab-Team bringt dann die Methoden, die Zeit, das Netzwerk und – ganz entscheidend – das Budget für den Prototyp mit. Sie haben zum Beispiel mit einem Startup, das sonst Kartoffeln für McDonald’s analysiert, eine KI entwickelt, die automatisch das Volumen von Packstücken misst. Die Kosten für die Hardware und das Projekt? Trägt das Lab.
Damit wird den operativen Einheiten die größte Angst genommen: die Angst vor dem Scheitern und vor explodierenden Kosten. Mut wird belohnt, nicht bestraft. Die neuen Gabelstapler muss die Abteilung am Ende selbst kaufen, klar. Aber dann wissen sie, dass es funktioniert und was es bringt.
Vom Scheitern und vom digitalen Zwilling: Was wirklich zählt
Innovation bedeutet auch, dass Ideen floppen. Die Idee eines „Happiness Managers” für die Fahrer, der ihnen den Papierkram abnimmt, klang super, wurde aber nicht umgesetzt. Und das ist okay. Es zeigt, dass man Dinge ausprobiert und auch wieder verwirft.
Viel spannender sind aber die Erfolge, die wirklich etwas verändern. Das absolute Highlight für mich war die Entwicklung eines digitalen Zwillings für das Umschlagslager. Jeder, der schon mal in einer Halle war, kennt das Bild: Der Fahrer bekommt einen Stapel Papier, sucht ewig nach einer Sendung, von der er nicht mal weiß, wie sie aussieht, und verliert wertvolle Zeit.
Die Lösung von Zufall? Der Fahrer sieht auf seinem Tablet ein Foto des Packstücks, weiß auf 10 cm genau, wo es steht, und bekommt die optimale Beladereihenfolge vorgeschlagen. Das ist kein Zukunftstraum, das ist ein handfester Prototyp, der den Arbeitsalltag massiv verbessert, Fehler reduziert und am Ende auch dem Fachkräftemangel entgegenwirkt. Denn wer will nicht lieber mit smarter Technik arbeiten als mit Klemmbrett und Zettelwirtschaft?
Fazit: Kultur frisst Strategie zum Frühstück
Die Stunde mit Steffen Obermann hat wieder einmal gezeigt: Echte, nachhaltige Innovation in der Logistik ist weniger eine Frage der Technologie als eine Frage der Kultur und der Haltung. Es braucht den Mut der Führung, die Bereitschaft, in Menschen und Ideen zu investieren, ohne sofort den ROI zu sehen, und eine Struktur, die es den Leuten im operativen Geschäft leicht macht, Neues zu wagen.
Das Zufall Lab ist der Beweis, dass man als gestandener Mittelständler nicht nur überleben, sondern die Zukunft der Logistik aktiv gestalten kann. Weg vom reinen Kosten- und Effizienzdruck, hin zu einer Logistik, die für Mensch und Planet besser ist.
Und jetzt an dich: Was sind deine Erfahrungen mit Innovationsprojekten im Logistik-Alltag? Wo siehst du die größten Hebel – und wo die fiesesten Bremsklötze? Schreib es in die Kommentare!
Die ganze Story gibt’s in der aktuellen Folge des LogTech Podcast – überall, wo es Podcasts gibt.