Wir reden in der Logistik ständig über vollautomatisierte Lager, Drohnen und selbstfahrende LKW. Die Realität in den meisten Hallen sieht aber oft anders aus, oder? Da gibt es diese eine riesige Blackbox, die wir gerne übersehen: die manuellen Prozesse. Alles, was nicht an ein System angeschlossen ist, wo Menschen noch selbst anpacken, Wege laufen und Entscheidungen treffen. Genau hier verstecken sich die wahren Effizienz-Killer und Kostenfresser.
Mein Co-Host Jannik Nonnenkamp und ich hatten neulich Sascha Kaczmarek von Motion Miners im LogTech Podcast zu Gast. Was er erzählt hat, trifft den Nagel auf den Kopf: Wir optimieren uns bei Fördertechnik und AGVs zu Tode, aber bei den manuellen Abläufen stochern wir oft im Nebel – mit Stoppuhr und Klemmbrett wie vor 30 Jahren.
Die unbequeme Wahrheit: Deine WMS-Daten zeigen nur die halbe Geschichte
Klar, du ziehst dir Reports aus deinem WMS oder ERP. Du siehst, wie lange es theoretisch von Pick A zu Pick B dauert. Aber was passiert dazwischen? Die Realität sieht oft so aus: Der Mitarbeiter sucht, weil der Artikel nicht am Platz ist, meldet einen Klärfall beim Schichtleiter, holt eine neue Batterie für den Scanner oder bringt den Müll weg. Diese unsichtbaren Zeitfresser tauchen in keiner Statistik auf.
Sascha brachte es auf den Punkt: Viele Unternehmen glauben zu wissen, wie ihre Prozesse laufen. Bei einer seiner Analysen kam dann raus, dass Mitarbeiter 30% ihrer Zeit in einem Bereich verbracht haben, der laut Prozessbeschreibung nur für „Ausnahmefälle" gedacht war. 30 Prozent! Das sind keine Peanuts – das ist ein massiver Hebel, den du einfach liegen lässt.
Die Devise muss lauten: „Act on facts". Nur wenn du die ungeschönte Wahrheit kennst, kannst du wirklich etwas bewegen.
Motion Mining: Daten statt Bauchgefühl
Wie kommst du an diese Wahrheit? Genau da setzen Technologien wie Motion Mining an. Stell dir vor, du gibst deinen Mitarbeitern kleine Sensoren – sogenannte Wearables – und analysierst damit Bewegungs- und Prozessdaten in Echtzeit. Plötzlich siehst du die echten Laufwege, die tatsächlichen Handgriffe, Wartezeiten und Störungen.
Wichtig: Es geht hier nicht um Überwachung, ganz im Gegenteil. Die spannendsten Erkenntnisse entstehen, wenn du diese Daten nutzt, um den Arbeitsalltag zu verbessern. Ein zentraler Punkt, den Sascha betonte, ist die Ergonomie. Ein unergonomischer Prozess ist fast immer auch ein ineffizienter Prozess. Wenn sich Mitarbeiter ständig bücken müssen oder weite Wege für schwere Teile zurücklegen, kostet das nicht nur Zeit, sondern langfristig auch ihre Gesundheit. Und wir alle wissen, wie schwer es ist, gutes Personal zu finden und zu halten.
Quick Wins vs. Big Picture: Der richtige Mix macht's
Eine solche Analyse deckt schonungslos alles auf. Die Kunst liegt dann darin, die richtigen Maßnahmen abzuleiten. Oft sind es die kleinen organisatorischen Änderungen, die sofort einen riesigen Effekt haben:
Sofortige Verbesserungen:
- Lagerzonierung optimieren: Kürzere Wege durch smarte Neuverteilung der Artikel
- Laufwege verkürzen: Zwischengänge einziehen, um Stichgänge zu vermeiden
- Arbeitsmittel dezentral platzieren: Drucker und Tools dort positionieren, wo sie gebraucht werden
Manchmal zeigt die Analyse aber auch, dass es ohne Investition nicht weitergeht. Der Austausch eines ungeeigneten Fahrzeugtyps oder die Einführung einer automatisierten Wickelmaschine können sich schneller amortisieren, als man denkt.
Der entscheidende Unterschied: Du triffst diese Entscheidungen nicht mehr aus dem Bauch heraus, sondern basierend auf validen Daten.
Der Mensch bleibt im Mittelpunkt
Bei all der Technik und den Daten dürfen wir eins nicht vergessen: Es geht um Menschen. Die beste Prozessoptimierung bringt nichts, wenn die Mitarbeiter sie nicht mittragen. Deshalb ist transparente Kommunikation mit Betriebsrat und Belegschaft von Anfang an entscheidend.
Klartext: Es geht nicht darum, Jobs wegzurationalisieren. Es geht darum, die Arbeit einfacher, sicherer und effizienter zu machen, damit dein Team den wachsenden Output bewältigen kann.
Am Ende ist es, wie Sascha sagte, ein iterativer Prozess: Analysieren, umsetzen, messen, optimieren. Die Logistik hört nie auf, sich zu drehen – und unsere Prozesse sollten das auch nicht.
Frage an euch: Was ist bei dir der größte "blinde Fleck" in den manuellen Prozessen, den du gerne mal ausleuchten würdest?