Letzte Meile 2.0: Warum man auf Details achten muss und wie KI das Spiel verändert
Außenstehende denken oft, "Puh, Logistik ist echt ein Brett".
Gerade die letzte Meile ist oft ein Begriff der mit vielen Herausforderungen verbunden wird. Nicht nur bei Außenstehenden, sondern auch bei den Beteiligten in dieser Nische der Logistik. In unserer aktuellen Podcast-Folge hatten wir Dr. Benedikt Stolze, den Gründer von Urbify, zu Gast. Mit ihm sind wir so richtig tief in die Materie eingetaucht und konnten dabei ein paar super Insights mitnehmen, die uns alle, egal ob du Verlader oder Shipper bist, ein Licht aufgehne lassen sollten.
Was Ben vom Paketboten gelernt hat
Ben hat uns erzählt, dass seine Reise in der Logistik nicht im Büro begann, sondern er selbst zwei Wochen lang Rewe-Pakete ausgeliefert hat, 6 Tage die Woche, Doppelschicht! Das war zwar nicht geplant, aber genau diese Hands-on-Erfahrung hat ihm und seinem Team gezeigt, wo die wahren Schmerzpunkte liegen. Nicht nur bei den Kunden, sondern auch bei den Leuten, die tagtäglich auf der Straße sind. Bei Urbify muss das übrigens jeder Neueinsteiger erleben, vom Lager bis zur Zustellung. Das schafft nicht nur Wertschätzung, sondern bringt auch immer wieder frische Ideen hervor.
Warum Eigenentwicklung in der Logistik Gold wert ist
Urbify hat sich früh entschieden, eine eigene Technologieplattform zu entwickeln, anstatt auf Standardlösungen zu setzen, die man zukauft. Das war ein riesiger Aufwand, aber es hat sich ausgezahlt, so Ben. Warum? Weil sie so ihre Use Cases perfekt abbilden können und extrem flexibel auf Kundenbedürfnisse reagieren können. Anders stößt du schnell an Grenzen. In der Logistik führen technische Unzulänglichkeiten oft zu hohem manuellem Aufwand. 70%-Tech-Lösungen funktionieren in der Regel nicht. Urbify wollte das von Anfang an vermeiden und setzt auf technische Lösungen für alles, um auch mit einem schlanken Team große Volumen zu stemmen.
KI in der letzten Meile: Mehr als nur Routenplanung
Klar, KI ist in aller Munde, aber Ben hat uns ein super konkretes Beispiel genannt, wie sie bei Urbify KI nutzen und das ist echt ein Game Changer: die Routing-Optimierung. Während klassische Routenplaner auf statische Parameter setzen, analysiert Urbifys KI unzählige Einflussfaktoren: Wetter, Events in der Stadt, Paketbeschaffenheit, Zustelloptionen und sogar die Art des Gebäudes. Der Clou? Ein Soll-Ist-Vergleich, der fortlaufend die Planungs-Parameter adjustiert. So wird jedes einzelne Paket in jeder Region individuell geplant, jeden Tag aufs Neue. Das Ergebnis: Kosten- und Qualitätsoptimierung auf höchstem Niveau.
Ben hat auch ein cooles Beispiel genannt: Ihre ursprüngliche Annahme war, dass ein Fahrer nach 15 Touren seinen Erfahrungsschatz voll ausgeschöpft hat. Durch KI-Analysen haben sie herausgefunden: Es sind nur neun bis zehn Touren! Das liegt wohl daran, dass die App jetzt in mehreren Sprachen verfügbar ist und die sprachliche Barriere wegfällt. Eine kleine Anpassung, die aber riesige Auswirkungen auf die Effizienz der Einarbeitung hat.
Proof of Delivery 2.0: Mehr Sicherheit durch Technologie
Ein weiteres heißes Thema, das Ben angesprochen hat, ist der Proof of Delivery (POD). Es geht nicht nur darum, eine Unterschrift zu bekommen. Urbify arbeitet an einem "Härtegrad" für Zustellungen. Das bedeutet:
- Geofence-Prüfung: War der Fahrer wirklich im Zustellgebiet?
- Dokumentation: Foto und/oder Signatur. Bei der Signatur wird sogar eine KI-basierte Überprüfung gemacht, um "Krakelschrift" als ungültig zu erkennen.
- Pin-Code-Delivery: Der Empfänger bekommt einen Code, den er dem Fahrer geben muss. Das ist super relevant für sensible Sendungen wie E-Rezepte.
Diese mehrstufige Überprüfung erhöht die Gewissheit, dass eine Zustellung ordnungsgemäß erfolgt ist.
Von Paketen zu Aufgaben: Die Zukunft ist agnostisch
Urbifys Software-Architektur ist ein echtes Highlight. Ursprünglich für Lebensmittellieferungen und Touren geplant, mussten sie für die Paketzustellung die Granularität stark erhöhen – runter bis auf die Paketebene. Aber jetzt gehen sie noch einen Schritt weiter: Sie denken in "Aufgaben". Egal ob Paket zustellen, abholen, einen Vorgarten mähen oder im Pflegedienst unterstützen, ihre Software kann all das planen, organisieren und dokumentieren (in der Theorie). Das macht sie technologisch agnostisch gegenüber der Art der Aufgabe.
Der Blick in die Zukunft: Pharma, Two-Man-Handling & mehr
Urbify ist nicht scharf darauf, geografisch extrem zu expandieren. Stattdessen wollen sie ihr Serviceangebot für Kunden weiter ausbauen. Ihr Ziel ist es, beispielsweise im Bereich Arzneimittel der absolute Spitzenreiter zu werden. Sie sehen viele Opportunitäten in der Kombination aus Technologie und Operative, aber auch als reine SaaS-Lösung für andere Kunden. Pharma-Großhandel, Two-Man-Handling oder Autoteile. Das sind nur einige der spannenden Felder, die sie im Blick haben.
Ben betont auch den Unterschied zu den großen Playern, die sich stark auf "Out of Home"-Zustellungen (Locker, Paketshops) konzentrieren. Für verderbliche Waren oder empfindliche Produkte ist die Home Delivery aber unverzichtbar. Urbify konzentriert sich auf genau diese anspruchsvollen Sendungen und verspricht eine Zustellquote von über 98% beim ersten Versuch und das in einem engen Zeitfenster.
Insgesamt war das ein super spannender Einblick, wie man in einem vermeintlich gesättigten Markt durch Technologie, Kundenfokus und operative Exzellenz eine Nische erobern kann.
Learnings für Logistikdienstleister: Warum Nähe zum Kunden und Tech-Pioniergeist sich auszahlen
Ben Stolze hat mit Urbify gezeigt, wie man in einem umkämpften Markt echte Mehrwerte schafft. Wenn du als Logistikdienstleister unterwegs bist, kannst du dir Bens Ansatz genau anschauen. Es geht nicht nur darum, Pakete zu bewegen, sondern die Herausforderungen deiner Kunden zu verstehen und technologisch zu adressieren. Wie Ben es vorgemacht hat: Geh selbst mal auf die Straße und versteh, wo der Schuh drückt. Diese operative Nähe ist Gold wert und liefert dir die Basis für Innovationen. Setz auf eigene Tech-Entwicklung, wo es Sinn macht. Das gibt dir die Flexibilität, die Standardlösungen oft vermissen lassen, und hilft, manuelle Prozesse zu eliminieren. Und ganz wichtig: Sei mutig bei KI-Einsatz! Routenoptimierung ist nur der Anfang. Denk über smarte POD-Lösungen oder "aufgabenbasierte" Services nach, die dich vom reinen Paketdienstleister zum ganzheitlichen Problemlöser für deine Kunden machen. Die Zukunft gehört denen, die nicht nur liefern, sondern auch mitdenken und vorausgehen.
Learnings für Verlader & Shipper:
- Geh mal raus und schau dir an, wie deine Sendungen wirklich beim Kunden ankommen. Sprich mit den Fahrern, schau dir die Prozesse an. Oft stecken die größten Effizienzhebel und Qualitätsverbesserungen in den kleinen Details, die man nur vor Ort sieht. Wer die Herausforderungen der Zusteller kennt, kann viel besser auf die eigenen Bedürfnisse eingehen und die Servicequalität seiner Dienstleister beurteilen.
- Wenn du auf der Suche nach einem Logistikpartner bist, frag genau nach deren Tech-Stack. Setzen sie auf Eigenentwicklung oder Standardsoftware? Gerade bei speziellen Anforderungen oder dem Wunsch nach hoher Flexibilität kann ein Partner mit eigener, anpassbarer Software einen echten Unterschied machen. Das zahlt sich oft langfristig aus, wenn es um individuelle Prozesse, Integrationen oder neue Services geht. Die Welt ist vernetzt.
- Frag deine Logistikdienstleister, wie sie Technologie & KI in ihren Prozessen einsetzen. Geht es über grundlegendes hinaus? Werden dynamische Faktoren berücksichtigt? Frag nach konkreten Anwendungsbeispielen und lass dir die Impact-Zahlen zeigen.
- Die Logistik der Zukunft wird immer flexibler. Dein Dienstleister sollte nicht nur Pakete von A nach B bringen können, sondern idealerweise auch komplexere Aufgaben oder ganz neue Services abbilden können. Dieser "Aufgaben"-Ansatz könnte für dich neue Möglichkeiten eröffnen, deine Logistikpartner auch für Value-Added-Services oder ganz neue Geschäftsfelder zu nutzen.
- Überleg dir, welche deiner Produkte von einem Premium-Service profitieren könnten, der über den Standard hinausgeht. Ist dein Kunde bereit, für Geschwindigkeit, Zuverlässigkeit und eine präzise Home Delivery mehr zu zahlen? Gerade für E-Commerce-Kunden, die ihre "Spitzenkunden verwöhnen" wollen (Stichwort Customer Lifetime Value), sind solche spezialisierten Anbieter Gold wert. Analysiere deine "Cost to Serve" ganzheitlich – oft sind höhere Logistikkosten durch weniger Retouren, Supportanfragen oder Lost-in-Transits unterm Strich günstiger.